Soziale Medien und die vernetzte Kommunikation im World Wide Web ermöglichen auch der Literaturwissenschaft neue Kommunikations-, Arbeits- und Publikationsformen, die einerseits große Potenziale besitzen, andererseits jedoch teilweise im Widerspruch zu den bewährten literaturwissenschaftlichen Praxen stehen. Es ist eine wichtige Aufgabe der Netzliteraturwissenschaft, ihr Wissen über diese Potenziale in eigene (experimentelle) Praxen umzusetzen und auf diese Weise die Kommunikations-, Arbeits- und Publikationsstandards der Literaturwissenschaft nachhaltig zu verbessern. Dazu ist es auch notwendig, den Standards der Open Humanities zu folgen und damit zugleich zu einer Verbesserung der wissenschaftlichen Qualitätsstandards beizutragen.
In konkreten Projekten und Arbeitspraktiken haben die Literaturwissenschaftler*innen Claudia Dürr, Kristin Eichhorn, Johannes Franzen, Andrea Geier, Berit Glanz und Silke Horstkotte für ihr Lehrprojekt „#RelevanteLiteraturwissenschaft“ die digitalen Vernetzungsmöglichkeiten, auch der Fachinformationsdienst Germanistik im Netz macht diese Möglichkeiten fruchtbar. Insbesondere die Potenziale zum „kollaborativen Schreiben und Bewerten“ (Thomas Ernst, 2015) sowie zur Nutzung kollaborativer Annotationen in der wissenschaftlichen Forschung (hg. v. Julia Nantke und Frederik Schlupkothen, 2020) finden in der Netzliteraturwissenschaft ihre praktische Anwendung.
Zugleich werden diese neuen Potenziale der vernetzten Wissenschaftskommunikation und des digitalen Publizierens von Institutionen und in Forschungsprojekten untersucht, um notwendige Standards zu definieren. Die AG Digitales Publizieren im Verband Digital Humanities im deutschsprachigen Raum, an der auch mehrere Literaturwissenschaftler*innen beteiligt sind, hat im Open Peer Review ein Working Paper zum Thema „Digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften: Begriffe, Standards, Empfehlungen“ (2021) vorgelegt. Bei der praktischen Umsetzung des digitalen Publizierens und des Open Access in geistes- und literaturwissenschaftlichen Veröffentlichungen gibt es noch viele Herausforderungen, die unter anderem die Formen der Kollaboration und der wissenschaftlichen Qualitätssicherung, der Worksflows, der digitalen Formate und der Geschäfts- und Rechtsmodelle betreffen. Hierzu hat sich unter anderem die ENABLE-Community gegründet, in der Bibliotheken, Verlage und Autor*innen für Open Access in den Social Sciences und Humanities agieren. Das Essener Projekt OGeSoMo hat den Potenzial- und Problemkontext „Bücher im Open Access“ (2020) genauer untersucht, das Anschlussprojekt AuROA – Autor:innen und Rechtssicherheit für Open Access erforscht die notwendige Standardisierung von Open-Access-Buchpublikationen und entwickelt u.a. Musterverträge.