Online-Literaturkritik und literarische Kommunikation in Sozialen Medien

Seit den 1990er Jahren haben sich vielfältige neue Formen der Online-Literaturkritik und der literarischen Kommunikation etabliert. Dazu zählen literaturkritische Beiträge und Debatten auf Sozialen Plattformen wie Facebook oder Twitter, neue Portale der Literaturkritik wie nachtkritik.de oder 54books, die Online-Rezensionen von Buchblogger*innen wie auf Buzzaldrins Bücher oder dem Nacht und Tag. Literaturblog, aber auch Social Reading-Plattformen wie Goodreads. Zunächst wurden diese Entwicklungen von der Feuilleton-Literaturkritik stark problematisiert (vgl. Löffler 1998), die germanistische Forschung verhandelte sie zunächst dichotomisch als Differenz von ‚professioneller Literaturkritik‘ (Zeitungen und Magazine) und ‚Laienkritik‘ (Soziale Medien).

Es ist eine wichtige Aufgabe der netzliteraturwissenschaftlichen Forschung, die unterschiedlichen Formate der Online-Literaturkritik und der literarischen Kommunikation in Sozialen Medien zu beschreiben. Zudem können die genutzten literaturkritischen Wertmaßstäbe und die Formen der netzliterarischen Kommunikation mit qualitativen wie quantitativen Methoden untersucht und in ein Verhältnis zum Wissen über die Feuilleton-Literaturkritik gesetzt werden. Auf diese Weise trägt die Netzliteraturwissenschaft zu einem besseren Verständnis der hybriden Formen der literaturkritischen und literarischen Kommunikation in der Gegenwart bei.

Wichtige Beiträge und Differenzierungen finden sich in einem Essay von Thomas Anz über „Literaturkritik in Zeiten des Internets“ (2010), im Sammelband „Literaturkritik heute“ (2015) von Heinrich Kaulen und Christina Gansel sowie Text + Kritik-Sonderband „Gelesene Literatur. Populäre Lektüre im Zeichen des Medienwandels“ (2018, hg. v. Steffen Martus und Carlos Spoerhase). Zuletzt erschien der Band „Über Bücher reden. Literaturrezeption in Lesegemeinschaften“ (2021, hg. v. Doris Moser und Claudia Dürr), der verschiedene Phänomene des Social Reading analysiert.

In Forschungsprojekten wie „Rez@Kultur: Digitalisierung kultureller Rezensionsprozesse“ (Hildesheim | Guido Graf, Anna Moskvina, Kristina Petzold) sowie „Evaluation of literature by professional and layperson critics: A digital and literary sociological analysis of evaluative talk of literature through the prism of literary prizes (2007-2017)“ (Gent | Gunther Martens, Lore De Greve) wurden und werden dezidiert auch quantitative Methoden auf die Forschungsdaten appliziert. Auf der Konferenz „Digital Practices. Reading, Writing and Evaluation on the Web“ (Basel/Zürich | Maria Kraxenberger, Moniek Kuijpers, Thomas Messerli) im Rahmen des SNF-Forschungsprojektes „Forschungslogiken“ rückten 2020 verschiedene Phänomene der Online-Literaturkritik und literarischen Kommunikation in Sozialen Medien in den Fokus.