Begründung und Geschichte des Forschungsfelds ‚Netzliteraturwissenschaft‘

Mit der Einführung der Personal Computer in den 1980er, des World Wide Webs in den 1990er und der Sozialen Medien in den 2000er Jahren sind vielfältige neue Formen der Literatur und der literarischen Kommunikation entstanden. Dabei sind digitalisierte Literaturen, digitale Literatur und Netzkunst auf der einen Seite von einer Netzliteratur auf der anderen Seite zu unterscheiden, die konstitutiv auf das World Wide Web angewiesen ist.

Die Germanistik untersucht die Netzliteratur bereits seit den 1990er Jahren, unter dem Begriff der ‚Netzliteraturwissenschaft‘ können die zahlreichen und vielfältigen Forschungsfragen und -projekte gebündelt werden. Dabei ist es eine zentrale Aufgabe der Netzliteraturwissenschaft, einen breiten Überblick über die verschiedenen Forschungsbereiche zu behalten, ihre eigene Geschichte im Blick zu bewahren, bislang erreichte Erkenntnisse und methodologische Standards zu sichern und Desiderate zu definieren. Auf diese Weise kann sie einen wichtigen Beitrag zur Selbstreflexion der entstehenden digitalen Gesellschaft leisten.

Besonders wichtig waren hier zunächst die Forschungsprojekte „litnet: Literatur in Netzen | Netzliteratur“ (Siegen | 2002-2012 | Peter Gendolla, /Jörgen Schäfer) und das DFG-Graduiertenkolleg „Literatur und Literaturvermittlung im Zeitalter der Digitalisierung“ (Göttingen | 2013-2018 | Karin Hoff, Claudia Stockinger, Simone Winko), die vielfältige Fragen der Digitalen und der Netzliteraturwissenschaft aufgriffen. Viele Forschungsarbeiten aus dieser Zeit, insbesondere von Friedrich W. Block, Florian Cramer, Reinhard Döhl, Heiko Idensen, Anja Rau, Karin Wenz und Uwe Wirth, sind im wichtigen Online-Archiv „netzliteratur.net | Netzliteratur – Internetliteratur – Netzkunst“ (hg. von Johannes Auer, Christiane Heibach und Beat Suter) versammelt; auch das von Roberto Simanowski herausgegebene Online-Magazin „Dichtung digital – Journal für Kunst und Kultur digitaler Medien“ (1999-2014) gibt einen guten Einblick in die Forschungsentwicklung.

Zudem entstanden ab der Jahrtausendwende wichtige Monographien und Sammelbände, die sich u.a. mit dem „Schreiben im Netz“ (Roberto Simanowski, 2002), der „Literatur im elektronischen Raum“ (Christiane Heibach, 2003), dem Verhältnis von „Digitalität und Literatur“ (hg. v. Harro Segeberg und Simone Winko, 2005), „The Aesthetics of Net Literature“ (hg. v. Peter Gendolla und Jörgen Schäfer, 2007), dem Thema „Digitale Literaturvermittlung“ (hg. v. Renate Giacomuzzi, Stefan Neuhaus und Christiane Zintzen, 2010) und dem Verhältnis von „Literatur und Digitalisierung“ (hg. v. Christine Grond-Regler und Wolfgang Straub, 2012) befassen.